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Hilfreiche Geschichten und Gedichte, Reclam Taschenbuch 20145

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783150201459
Sprache: Deutsch
Seiten: 104 S.
Format (H/B/T): 0.8 x 18.9 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Um heil durch den Alltag zu kommen, brauchen wir Menschen feste Regeln und klare Ordnungen, also z. B. regelmäßige Mahlzeiten, immer was Sauberes zum Anziehen - vor allem aber: die klaren Ansagen von Experten. Experten wie Fritz Eckenga, der eine 1-A Lebens- und Orientierungshilfe gibt zu so sensiblen Themen wie Urologie und Nächstenliebe, Gebissrenovierung, Muttersprache Deutsch, Rhythmische Sportgymnastik und Erotik, Hochdruckreiniger und Hund und Haufen.

Autorenportrait

Fritz Eckenga, geboren 1955, ist Kolumnist in Radio und überregionaler Presse, Komödiant sowie langjähriges Mitglied des Rocktheater-Ensembles "N8chtschicht".

Leseprobe

Metropolöse in der Provinz Gelegentlich erhält man Besuch aus anderen Städten dieses Landes. Das ist überhaupt nicht schlimm, sondern vielmehr schön und meistens sogar bereichernd, hängt den Besuchern doch immer auch eine Prise regionuntypischer Exotik in den Klüngeln, die sie auf der Reise nicht auslüften konnten. Kommt der Besuch beispielsweise aus der großen, multikulturell geprägten, beneidenswert kosmopolitischen Metropole Berlin, kann man immer sicher sein, dass das eigene, eher provinziell geprägte Dasein nach dessen Abreise wieder um etliche Facetten ungekannter Denk- und Wirkungsweisen erweitert wurde. Erheiternd, aber den Gastgeber auch regelmäßig mit verhaltenem Stolz erfüllend, sind etwa die in den ersten Stunden des Besuches recht bizarren Reaktionen der gemütsharten Hauptstädter auf dieserorts eher gewöhnliche zwischenmenschliche Verhaltensweisen. Verwundert bis erschrocken, manchmal sogar zuckend und schüttelnd nimmt der Berliner freundliche Ansprache entgegen. Lähmende Sprachlosigkeit und Augenstarre bemächtigen sich seiner beispielsweise, wenn er in einer Gaststätte mit Dienstleistungsstandards wie "Was kann ich für Sie tun?" oder "Haben Sie noch einen Wunsch?" angesprochen wird. Gerade so, als habe er derartige Höflichkeitsfloskeln nie in seinem Berliner Leben vernommen, ist er anfangs nahezu unfähig, eine Bestellung aufzugeben oder einfach nur "Nein, danke" zu sagen. Das übernimmt dann selbstredend der fürsorgende Gastgeber, wohlwissend, dass dies nur eine vorübergehende, an frühkindliche Fremdelphasen erinnernde Erscheinung ist, die zumeist schon nach 12 Stunden langsam beginnt, sich zu legen. Wie auch der schroffe, knarzende Umgangston des Metropolösen unter dem besänftigenden Einfluss human parlierender Provinzler sich recht schnell anzupassen pflegt, so dass er das Vorurteil "Wenn Berliner sprechen, antworten die Hunde" schon bald nicht mehr bestätigt. Ist diese kommunikationsklimatische Anpassung erst einmal vollzogen, bereichert der spritzige Berliner das Leben in den schläfrigen Outbacks doch ungemein. Weltstädtisch-originell seine Wortartistik ("icke", "dette", "knorke"), bohemienisch seine Eßgewohnheiten ("Ah, Austan, habick im KaDeWe jeden Tach, wennick will, undzwa frischa wie hier, wa") und neidischmachend sein unvergleichlicher Anekdotenfundus, gespeist aus der Internationalität seines täglichen Umgangs. Wer anders als ein Insasse der russengesättigten Ex-Frontstadt könnte einem derart detailgenau über die abseitigen Vorlieben der rauschversessenen Iwans Bescheid geben, die sich eben nicht nur, wie allgemein bekannt, regelmäßig Wodka zwischen die Ganglien kippen, bis der Arzt kommt, sondern vielmehr auch "Schuhcreme in vorher aufgeritzte Kopfhautwunden schmieren, weil das noch direkter und billiger törnt!" Vorurteilsbeladene werden nun einwenden, dass es genau diese Art der planmäßigen Verstümmelung sei, die den Berliner zu jenem verwirrten, ichbezogenen und verabscheuungswürdigen Quälgeist mache, den die Welt nicht brauche. Neige er doch dazu, partout nichts von zivilisierten Kulturen anzunehmen, okkupiere aber sofort rücksichtslos, wenn Sitten und Gebräuche anderer Völker noch erbarmungswürdiger seien als seine eigenen. Sicher hätten die Berliner mehrheitlich längst die russische Methode übernommen und deswegen die ganzen Kopfgehäuse randvoll mit Schuhwichse. Man muss zugeben, diese Theorie könnte einiges erklären. Viele ansonsten schwer zu entschlüsselnden berlinischen Verhaltensauffälligkeiten ließen sich relativ logisch auf diese Ursachen zurückführen. Bestätigt werden kann die These von dieser Seite aus jedoch nicht, denn zumindest im Beisein des Provinzbetreuers kam es noch nicht zu Exzessen der beschriebenen Art. Doch selbst, wenn die Schuhcremebegründung sich als stichhaltig herausstellte, muss Berliner Besuch in Restdeutschland ganz grundsätzlich positiv, nämlich als lehrreiches Ereignis gelten gelassen werden. Man muss ihm etwas Geduld und Pflege gönnen. Dann aber ist er aufsc